Moses Porges |
Juda Leopold Porges |
Transcript from Gothic German
of the original handwritten document
in posession of the Leo Baeck Institute, New York.
Ich bin den 22 Dezember 1781 geboren.
Mein Vater Morene Rabbi Gabriel PORGES, ein sehr gelehrter
Mann in allen jüdischen Wissen. Ein tugendhafter, rechtschaffener
Mann.
Ihm waren auch die damals den jüdischen Gelehrten wenig bekannten
christlichen Wissenschaften nicht fremd.
Er war ein gemütlicher guter Mann und hat nie seine Kinder
körperlich bestraft. Meine Mutter war eine Herzensgüte
Frau, sie führte das Geschäft, das die Familie nährte.
Der Vater kümmerte sich wenig um das Geschäft. Er studierte
und hielt Vorträge.
Das Geschäft war eine Rosolienerzeugung und Brandweinverkauf.
Wie es zu der Zeit Sitte war, wurde ich im Hebräischen und
Übersetzung der Bibel unterrichtet.
Im 7 ten Jahr besuchte ich die israelitische deutsche Schule, die
ich im 11 ten schon verließ.
Meines lebhaften Temperaments wegen war der Besuch der Schule kein
fleißiger.
Ich brachte im Sommer, statt in der Schule beim Baden in der Moldau
und im Winter auf dem Eis zu. Nach dem Austritt aus der Schule wollte
ich studieren, aber mein älterer Bruder, damals Philosophie
studiosus, war dagegen und stimmte meine Eltern, daß sie es
nicht zugaben.
Ich war nun ohne alle Beschäftigung und Unterricht. Durch die
gütige Unterstützung meiner lieben Mutter war ich in den
Stand gesetzt mir Bücher anzuschaffen, als von Lessing Mendelssohn
und Schiller, aber auch von Kramer, Spiess, dergleichen. Außerdem
auch geschichtlich und geographische Marka und habe ich ein bißchen
Wissen diesem Selbstunterricht zu danken.
Nach zurückgelegtem 14 ten Jahr berufte mich mein geliebter
Vater auf sein Zimmer und fragte mich in feierlicher Weise, ob ich
denn glaube, daß die geoffenbarte Thora Alles enthalte was
zu unserm Seelenheil und unserer Seligkeit, hier und jenseits, nötig
zu wissen ist.
Ich war bis zu dieser Stunde ein Rechtgläubiger Jude gewesen,
wenn auch manche Zweifel und Bedenken in mir aufstiegen.
Er sagte mir in feierlichem Ton: "Es gibt neben der Thora ein heiliges
Buch, den Sohar, der uns die Geheimnisse, die in der Thora nur angedeutet
sind, geoffenbart und zur geistigen Vervollkommnung auffordert und
wie dazu zu gelangen anweist.
Es gibt viele Edele die sich der neuen Lehre gewidmet; die Erlösung
aus geistigem und politischem Druck ist ihr Zweck, ist ihr Ziel.
Gott hat sich in meiner Zeit, wie in früherer, geoffenbart.
Du sollst mein Sohn, von Allem in Kenntnis gesetzt werden.
Herr Noa Kassowitz, einer der Unsern, wird dich unterrichten.
Ich zerfloß in Thränen, Küste die Hand meines Vaters
unzähligemal und verließ ihn wie berauscht und fühlte
ich mich gehoben und einer höhern, edlern Menschenklasse nun
Angehörige.
Es dürfte überflüssig sein ins Detail des Unterrichts
von Kassowitz einzugehen. Wesentlich ist was er mir mitteilte, daß
in letzter Zeit ein Gottesgesandter, Namens Jakob FRANK, auch Censlochowa
genannt, von Geburt ein Pole, der längere Zeit in der Türkei
sich aufgehalten, als Messias sich kundgab und viele jüdische
Gelehrte um sich versammelte, die an ihn glaubten, die ihn verehrten
und anbeteten.
Er erwarb einen großen Anhang, den er durch Prophezeiungen
und Versprechungen einer geistigen und körperlichen Erlösung,
vornehmlich eines ewigen Lebens an sich fesselte.
Die Behörden, davon in Kenntnis gesetzt, verurteilten ihn zur
Festungsstrafe, wo er längere Zeit auf der Festung Censtochan
zubrachte ; endlich entlassen ging er zum Christentum über
und mit ihm seine Familie und der größte Teil seiner
Anhänger.
Um die Schrins (der heilige Geist) der von Rom festgehalten, zu
befreien.
Nach einer Zeit erschien er in Prassnitz in Mähren unter dem
Namen Baron FRANK, mit Glanz und Pracht und hatte sogar eine Leibwache,
die ihn bei seinen Ausfahrten umgab.
Bekannt ist es, daß ihn dort Kaiser Joseph II besuchte. Von
Prassnitz zog er nach Offenbach, wo er ein eigenes Haus bezog und
eine große Anzahl seiner Anhänger, meist Polen, um sich
versammelte.
Der Übertritt zu einer andren Konfession ist ein wichtiger
Schritt, der auf das ganze Leben des betreffenden Menschen einen
dauernden Einfluß hat.
Geschieht dieser Schritt aus Überzeugung, dann war er ein ehrwürdiger
zu nennen, aber auf Verblendung einer Leidenschaft, deren Ziel nur
eben durch ihn erreicht werden konnte, muss er zum Unglück,
zum bittern Vorwurf führen, wenn dereinst die Leidenschaft
sich verloren hat und eine ruhige Überlegung folgt.
Nach seinem Ableben nahm seine Tochter, unter dem Namen Gewira die
Führung der Gläubigen.
Sie war nicht mehr jung, neben ihr ihre zwei Brüder Roch und
Josef.
Welchen Eindruck diese Enthüllungen auf mich, einen jungen,
lebhaften, die Wahrheit suchenden Jüngling machten, ist nicht
zugeschrieben.
Die Sehnsucht nach dem heiligen Lager bemächtigte sich meiner
so, daß ich weder Ruhe, noch einen andern Gedanken hatte,
als die Reise nach dort. Allein, wie diese beginnen, da es mir an
Mitteln fehlte und mein guter Vater sie mir nicht schaffen konnte.
Eine allgemeine Rekrutierung 1798, wo man des Nachts die jungen
Leute aus den Betten holte, war Veranlassung, daß ich mich
bei Bekannten verstecken mußte (Salomon Brandeis) und nach
einigen Wochen, der Gefahr zu entgehen, wurde beschlossen ich soll
nach Deutschland auswandern.
Da dies auf legitimen Wege nicht auszuführen war, wurde ich
von einem Taglitzer Kaufmann, mit Namen Katz, nach Taglitz mitgenommen,
der mich vor dem Strafoner Thor erwartete.
In Taglitz angekommen wies man mich an einen alten Juden aus Sobotan,
der mich übers Gebirge auf Paschwegen nach Sachsen spendierte,
wofür er zwei Gulden, einen Speziesthaler forderte, die ich
ihm gern gab.
Da stand ich auf dem Gipfel des Geiersberg, ein 17 jähriger
Jüngling, ganz allein, früher im Kreise liebender Eltern
und Geschwister gewohnt zu leben, von zarter Mutterhand gepflegt
und von Allen verlassen stand ich in einer waldigen Gegend.
Ich weinte, doch das Ziel meiner angetretenen Wanderung, Offenbach,
gab mir Trost.
Und sollten die Leiden und Entbehrungen, die ich zu bestehen haben
sollte, als Prüfung meines Glaubens an der neuen Lehre gelten?
Ich hatte von den Meinigen 60 Gulden in Gold und Silber bekommen.
Außerdem hatte ich gegen drei Gulden kleine Münze und
that ich hier im Glaubenseifer das Gelübde die Reise nach Offenbach
mit diesen drei Gulden zu bestreiten, sollte ich auch hungern oder
betteln müssen, und die 60 fl. als Opfergabe der göttlichen
Herrin zu bringen.
Mutig und entschlossen trat ich nun vorwärts und kam gegen
Abend in Fürstenau, einem sächsischen Dorf an.
Nach einem spärlich genossenen Abendbrot wurde in der sehr
räumlichen Wirtsstube ein Strohlager für mich hergerichtet,
auf dem ich mich ermüdet niederlegte und bald einschlief.
Ungefähr nach Mitternacht weckte mich ein Getöse, ein
Mann, dem meine Phantasie Riesengroße gab, trat in die Stube
mit gewaltigem Stock und Pack auf dem Rücken. Hinter ihm ein
Gleicher und so fort, bis die Wirthsstube voll war.
Meine Angst und Furcht, die eines jungen Mannes von 17 Jahren, der
noch nichts erlebt.
Nach einer Stunde verließen diese, nachdem sie Bier und Brandwein
genossen, die Stube.
Später erfuhr ich daß es Pascher waren. Den Morgen trat
ich meine Weiterreise nach Dresden an. Gleich beim Eintritt erfuhr
ich Unangenehmes und Kränkendes.
Ich mußte Judenzoll zahlen. Für das Glück als Jude
geboren zu sein, mußte man fast in ganz Deutschland einen
solchen Leibzoll, wie vom lieben Vieh zahlen.
Dann wurde mein Felleisen untersucht und fand der Mauthbeamte, daß
eine Schlafmütze neu wäre, ungetragen, und mußte
ich den Zoll und Strafe, daß ich dies nicht angesagt, zahlen,
welches Beides meine kleine Kasse aufzährte.
Ich war an einen Herrn Jonathan Eibenschütz, einen der Unsrigen
dort empfohlen.
Derselbe war ein schöner junger Mann, aber sehr taub und ein
Stammler fast unverständlich und nahm mich, nachdem er das
Empfehlungsschreiben gelesen, mit Kuß und Handschlag freundlichst
auf.
Er gab mir während meines Aufenthalts in Dresden Wohnung und
Kost, verschaffte mir einen Pass als sächsischer Unterthan,
um des leidigen Judenzolls enthoben zu sein.
Ich blieb die Osterfeiertage in Dresden. Beim Abschied von Herrn
Eibenschütz gab mir dieser gemütliche gute Mann zwei Reichsthaler.
Bei einem herrlichen Frühlingswetter verließ ich Dresden
und trat zu Fuß meine Reise nach Offenbach an, berauscht und
exaltiert, welchem Ziel ich entgegen ging.
Anfangs ging es in diesem Rausche, leicht und singend kam ich, obgleich
ich ein schweres Felleisen zu tragen hatte, gegen Abend nach Meißen
und schlief nach genossenem Abendbrot auf meinem Strohlager und
trotz schmerzvoller Füße, da beide wund waren, bis zum
hellen Morgen.
Ich stand auf von meinem Lager, aber gehen konnte ich nicht, auch
keine Stiefel anziehen, eine traurige Lage, wenn man mit Ungeduld
einem solchen Ziel entgegen eilt.
Es blieb mir nichts übrig, als barfuß, mit geschwollenen
schmerzhaften Füßen den Weg nach Leipzig zu verfolgen,
vor welcher Stadt ich den dritten Tag eintraf.
Die früheren Nächte brachte ich in Oschatz und Wurzen
zu. Durch Leipzig lies man mich nicht passieren und wurde ich von
einem Polizei um die Stadt nach der Straße nach Weimar geführt.
Diese Straße wanderte ich mühselig, gequält von
Schmerzen und Hunger und blieb entmutigt und schwach auf der Straße
liegen.
Nachdem ich ungefähr eine Stunde dalag, kam eine Kutsche von
Leipzig her zugefahren; als diese nahe war raffte ich mich auf und
sah, daß die Kutsche leer war.
Ich fragte den Kutscher, wohin er fahre. Nach Weimar sagte er; auch
ich will dahin, wollen Sie mich nicht mitnehmen? Ja, sagte er. Was
soll ich zahlen, fragte ich, ich bin arm, kann nicht viel geben.
Setz er sich mir ein, wir werden uns schon vergleichen. Ich legte
mein Felleisen in den Wagen und stieg ein.
Der Wagen setzte sich in Bewegung und rollte weiter.
Welche Wonnegefühl nach ausgestandener so vieler Qualen in
einem bequemen Wagen nach vorwärts zu kommen, in Aussicht mehr
als 12 Meilen so angenehm weiter zu kommen.
Es war Nacht als wir in Weissenfels ankamen. Der Kutscher kehrte
in ein Hotel ein. Zwei Kellner, jeder ein Girandola in der Hand,
kamen den angekommenen Gast aus dem Wagen zu heben.
Als sie mich heraussteigen sahen, sagte einer, der gehört auf
die Herberge, nicht hierher. Mein braver Kutscher weißte mich
dahin und versprach mich früh von dort abzuholen.
Mein Abendbrot bestand in einem Stück schwarzes Brot und ein
Glas Bier. Auf meinem Strohlager schlief ich die Nacht ohne Unterbrechung
und stand früh gestärkt auf. Ich wartete nicht lange und
es kam meine Reisegelegenheit gefahren, schob mein Reisegepäck
und mich in den Wagen, wir fuhren weiter.
So ging es den ganzen Tag, mit Ausnahme des Mittags, wo gefüttert
wurde. Des Abends wurde in einem Dorf übernachtet. Den andern
Morgen ging es weiter. Gegen 10 Uhr trafen wir in Weimar ein.
In einiger Entfernung von der Stadt lies mich der Kutscher aussteigen.
Nachdem ich mein Gepäck vorausgeschickt stieg ich voll zagen
aus dem Wagen.
Was wird der Kutscher für Gelegenheit und Zahlung fordern?
Kleinlaut fragte ich was ich schulde. Mit Worten kann ich die freudige
Überraschung nicht ausdrücken wie der menschenfreundliche
Kutscher 20 Kreutzer verlangte, mit der Bemerkung er verlange nur
was er für mich baar ausgelegt habe.
Ich passierte Weimar ohne mich aufzuhalten und kam Abends nach Gotha.(Ich
war früher in Erfurt, den Abend in Gotha) Ich kehrte in einem
Wirth shaus ein, wo ich Bier und Brot mir geben lies.
In einem Nebenzimmer war ein Tisch gedeckt für viele Personen
und sah es festlich aus. Es wurde aufgetragen verschiedene Braten,
Kuchen, Obst, verschiedene andere Gerichte.
Es wurde eine Kindstaufe gefeiert. Ich hatte seit Dresden kein Fleisch
genossen. Mich reizten die Gerüche der Speisen. Da kam die
Hausfrau zu mir und sagte : Ich Seh es an ihm an, er ist braver
Leute Kind, und stellte vor mir hin einen Teller mit Braten und
Eiern und Bäckerei. Kommender Nachmittag kam ich an den Thoren
von Erfurt an. Damals lag österreichische Garnison da. Hier
wurde ich angehalten Leibzoll zu zahlen, gegen 2 Gulden.
Alles Wiederstreben half nicht, selbst mein Vorschlag Erfurt nicht
zu passieren.
Man nahm mein Gepäck in Beschlag. Endlich gab der Einnehmer
auf mein Ersuchen vor den Stadthauptmann geführt zu werden,
die Bewilligung hiezu und wurde ich durch einen Soldaten dahin geführt.
Derselbe war nicht zu Hause, war bei einer Baronin zu Besuch. Ich
lies mich dahin führen und wurde vorgelassen.
Auf die Frage was ich wollte, stellte ich ihm vor, wie ungerecht
es ist, von einem armen, durchreisenden Handwerksbursch zwei Gulden
Leibzoll zu verlangen, weil derselbe jüdischen Glaubens ist.
Er erwiderte, daß das Landesgesetz wäre. Darauf sagte
ich ihm: das kann der Einnehmer sagen, aber er als erleuchteter
hoher Beamter wird zugeben, daß diese Steuer für Juden,
die Geschäfte und Handel treiben bestimmt ist, aber nicht für
durchreisende arme Handwerker.
Und anders mehr. Der Stadthauptmann nahm noch Anstand, da nahm die
Baronin das Wort und sagte französisch : Der junge Mann hat
recht, es wäre grausam eine so bedeutende Abgabe, die so intolerant
ist, zu fordern.
Da gab mir der Stadthauptmann ein schriftliches Dokument, daß
mich von aller derlei Steuer befreite.
Abends kam ich nach Gotha. Ich verfolgte nun den Weg nach Offenbach
über Eisenach, durch Hessen nach Hanau ohne weitere Abenteuer,
wo ich an einem Mittag eintraf.
Die Hoffnung noch diesen Tag gegen Abend in Offenbach einzutreffen
beschleunigte meine Schritte.
In welcher Stimmung und Aufregung ist nicht zu beschreiben. Die
Versammlung der Gläubigen in Offenbach wurde Machine genannt,
Lager, hinweisend auf das Lager der Israeliten unter Moses.
In dieser Machine sollte ich noch heute eintreten und aufgenommen
werden.
Abends, es war bereits dunkel, traf ich in Offenbach, einer offenen
Stadt, ein.
Es regnete. Ich frug nach dem polischen Hof. Man wies mich nach
dem andern Ende der Stadt.
Ein stattliches Haus. Ich weinte in religiöser Andacht das
heilige Haus zu betreten.
Ich stieg einige Stufen empor und zog die Glocke. Es wurde geöffnet,
ein junger Mann in türkischer Kleidung empfing mich, umarmte
und Küste mich, nannte mich Bruder und sagte mir, daß
ich erwartet würde.
Es versammelten sich mehrere Maminim, unter ihnen ein alter Mann
von ehrwürdigem Aussehen, mit schneeweißem Haar, in Oberstuniform,
der sich Cinsky nannte.
Derselbe führte mich auf sein Zimmer im zweiten Stock. Er versicherte
mich mir jeder Zeit mit väterlichem Rath beizustehen und gab
mir Anweisung wie ich mich bei der zu erwartenden Audienz bei der
heiligen Mutter zu benehmen habe.
Noch den selben Abend besuchten mich viele Maminim, alte und junge.
Am folgendem Tag wurde ich zur Gewire zur Audienz berufen.
Sie bewohnte den ersten Stock. Im Vorzimmer wo eine Kammerjungfer
mich empfing, mußte ich einige Zeit warten. Wie war ich bewegt
und wie klopfte mir das Herz.
Endlich wurde eine Thüre geöffnet und ich trat ein. Ich
wagte nicht der Gewire ins Anlitz zu sehen, kniete vor ihr nieder
und Küste ihr den Fuß, wie man es mir vorschrieb.
Sie sprach einige freundliche Worte, sprach sich lobend für
meinen Vater aus, lobte meinen Entschluß nach dort zu kommen.
Bei meiner Entfernung legte ich mein Beutelchen, welches etwa 60
Gulden in Gold und Silber enthielt, auf einen Tisch und ging rückwärts
durch die Thür.
Den Eindruck den die Gewire auf mich machte war ein erhabener und
günstiger.
Das Gesicht lieblich, drückte Güte, Sanftmut und Milde
aus, das Auge heilige Schwärmerei.
Sie war im Alter vorgerückt, doch eine liebliche Erscheinung.
Hände und Füße reizend.
Wie ich später erfuhr habe ich vor ihr Gnade gefunden. Ich
wurde auf hohen Befehl der Liberia zugeteilt, nämlich den meist
jungen Leuten, welche die drei Herrschaften zu bedienen hatten,
bei Tisch und bei den täglichen Ausfahrten und Sonntag in der
Kirche.
Wir bewohnten ein Zimmer. Dies gab mir die Gelegenheit öfters,
besonders bei Tische, ganz in der Nähe die Herrschaften zu
beobachten.
Ich erhielt eine Jägeruniform, statt einem Hut ein Caskett
von grünem Leder mit Metallbeschlag.
Es galt für eine große Ehre zu diesem Chor zu gehören.
Ich bediente öfters bei Tisch und war mein Platz hinter dem
Stuhl der Gewira.
Es wurde in einem ziemlich geräumigen Saal. gespeist. Wir waren
drei zur Bedienung der drei Herrschaften bestimmt. Die Speisen,
die übrig blieben, verzehrten wir nach der Tafel.
Da alle Bewohner des Hauses und auch manche, die außer dem
Hause wohnten, ihre Mittagskost aus der gemeinschaftlichen Küche
holten und in einer Suppe und einem Gemüse bestand und von
sehr schlechter Qualität war, so schmeckte uns diese Mitkost
ganz besonders.
Jeden Sonntag war Kirchenparade, wo wir Uniformierten uns dabei
beteiligen mußten.
Umgang hatte ich nur mit den Glaubensgenossen, besonders sagten
mir die Alten zu, unter diesen gab es sehr ehrwürdige Männer
einige hoch im Alter, als die Wolowsky, Demlutzky, Matuschefsky,
Cherwiesky.
Die Jüngern, besonders meine Zimmerkameraden, waren zwar ihren
Äußerungen nach gläubig, doch wie so junge Leute
leichtsinnig und trotz der allgemeinen strengen Sittlichkeit nahmen
sie es nicht gar zu streng.
Umgang mit dem andern Geschlecht gab es nicht, heiraten war streng
verboten, ja sogar wurde eines Morgens in einer Bisjoke geboten,
jeder, der eine Neigung für eine Frauensperson fühlt,
soll sich zehn Ruthenstreiche geben lassen und sieh da, fast alle
jungen Männer leisen sich solche appliziren.
Bei dieser Gelegenheit muss ich bemerken, daß fast täglich
solche Visionen bekannt gegeben wurden, von den drei Herrschaften
abwechselnd, die in einem Buch eingeschrieben wurden ; wurden auch
Abschriften gemacht. Täglich wurden wir jungen Leute exerziert
durch einen polischen Exerzirmeister, doch wurden sämtliche
Gewehre und Säbel versteckt als 1799 die Franzosen in Offenbach
einrückten.
Im Sommer 1798 kamen drei Söhne des Jonas Wehli und mit ihnen
mein jüngerer Bruder Juda Leopold nach Offenbach.
Die Wehli waren wohlerzogene und wohlunterrichtete junge Leute,
hießen Abraham, Jontef und Ekiba, erhielten nun die Namen
Joseph, Ludwig und Max. Mein Bruder erhielt den Namen Carl der Jüngere.
Er war 17 Jahre alt, unsebstständig und wurde angewiesen Unterricht
im frisieren zu nehmen.
Im Herbst des selben Jahres kam mein guter Vater in Gesellschaft
der Herren Jonas und Aron Beer Wehli.
Ich war berauscht von der Freude den teueren geliebten Vater wiederzusehen.
Die drei ehrwürdigen geleerten Herren wurden feierlich und
festlich von allen Maminim empfangen und wurden den andern Vormittag
den hohen Herrschaften vorgestellt.
Sie legten Opfergaben der Gewira zu Füßen, die Wehli
in Gold, welches besonders gern empfangen wurde.
Beide waren reiche Leute. Mein guter Vater, der nicht besonders
bemittelt war, brachte ein Stück Batist.
Dieses Geschenk war die Ursache daß ich in meinem schwärmerischen
Glauben anfing zu merken und am Ende zur Überzeugung gelangte,
daß hier Alles Betrug und durch Schwärmerei Meere hundert
brave Menschen ausgebeutet, hundert Meilen herbeigezogen, verarmt
und unglücklich wurden.
Im selben Jahr kam nach Offenbach Herr Salomon Zerkowitz, früher
sehr wohlhabend. Er brachte noch einiges Vermögen mit, er mußte
es jedoch auf Befehl opfern.
Es bestand meist in österreichischen Staatspapieren, die ich
nach Frankfurt zur Begebung trug und beim alten Rothschild versilberte.
Herr Zerkowitz war ein guter redlicher Mann, er weinte, als er seine
letzte Gabe hergeben mußte. Neben dem Speisesaal war das heilige
Zimmer, wo noch das Bett, die Kleidung des heiligen Vaters, (so
wurde Jacob FRANK, der Vater der Gewira und dessen Bruders genannt)
sich befanden. In diesem Zimmer war es dunkel, die Fenster waren
verhangen, hier wurde gebetet, vor dem Bette knieten die Gläubigen
in inbrünstigem Gebete.
Der Zutritt war den ganzen Tag gestattet.
Vor dem Eingang in den Speisesaal nämlich waren Mädchen
im Amazonenkleide mit Gewehr und Säbel als Wache aufgestellt,
es waren meist junge schöne Mädchen dazu bestimmt.
Wie ich früher bemerkt verletzte mich ein Ausdruck des heiligen
Josef bei Tische in meiner Gegenwart, über das nicht wertvolle
Geschenk meines Vaters und fand, daß mehr auf die Gabe, als
den Mann, der es gab, gesehen wurde.
Von diesem Augenblick fing ich an nachdenklich zu werden und zu
beobachten.
Anfangs ließ ich diese negieranden Gedanken zurück, hielt
es für Frevel das zu bezweifeln, was so viele ausgezeichnete
und gelehrte Männer glaubten, ging in das heilige Zimmer und
bereute.
Allein bald fand ich wieder Ursache zu einem Rückfall. Unter
den Bewohnern meines Zimmers war auch ein junger Mann aus Dresden,
Namens Johann Hofsinger. Derselbe näherte sich mir in dieser
Zeit und nach einigen Vorbereitungen und Sondierungen ließ
er mich ahnen, daß er nicht mit Allem einverstanden sei, was
geschieht oder geschehen ist.
Da er fand, daß ich ihn nicht verraten werde, rückte
er endlich damit heraus, daß er nach längerer Untersuchung
und Nachdenken zur Erkenntniss gekommen, daß hier ein Betrug
unglaublicher Art ausgeübt und die Gläubigen, die sich
hier befinden, so große Opfer gebracht, daß sie den
Gedanken nicht fassen könnten, daß Alles Schwindel gewesen
wäre.
Auch hatte man sie aller Mittel beraubt, in ihre so entfernte Heimat
zurückkehren zu können.
Durch solche öfter Besprechungen kamen wir endlich zu dem Entschluß
zu entfliehen. Hofsinger schlug vor Mittel zu ergreifen, die sich
mit der Ehrbarkeit und dem Ruf unserer Familie nicht vertrugen,
da es an Mitteln fehlte und wir ohne alle Barschaft waren. Ich schrieb
deshalb an meinen Bruder, Dr. P O R G E S, machte ihn mit
meinem Entschluß bekannt Offenbach zu verlassen.
Ich Bad ihn mir ein Haus in Frankfurt anzuweisen, wo wir aufgenommen
und die Mittel zur Weiterreise erhalten würden.
Die Antwort blieb nicht aus, die Familie freute sich mit unserm
Vorhaben und bezeichnete uns einen Herrn Neustadtl in Frankfurt,
wo wir Geld und freundliche Aufnahme finden würden.
Nun wurde ernstlich dazu getan. Ich machte meinen Bruder mit meinem
Vorsatz bekannt, zeigte ihm das Schreiben unseres Bruders; er erklärte
sich sofort bereit mir in Allem zu folgen.
Nun wurde gemeinschaftlich beraten, wie wir uns von Offenbach entfernen
wollen. Wir beschlossen dies zeitlich früh vier Uhr durch den
Garten zu thun.
Wir beschlossen dies weil kurze Zeit vorher ein Pole, der zur Gemeinde
gehörte, eingefangen und bestraft wurde. Da wir öfter
die Nachtwache bezogen wußte ich es so einzurichten, daß
ich und Hofsinger die Wache bezogen.
Da wir nicht viel Gepäck hatten, so wurde Sämtliches in
ein Pack gebunden.
Den Abend vor unserer Flucht wurde ich zur Gewira durch eine Kammerjungfer
befohlen.
Es war bereits Dämmerung; als ich in das Cabinet eintrat wurde
ich von dem Lieblingshund, einem Windspiel, das mich kannte und
sonst mich nie anbettle heftig angegriffen.
Die ungewöhnliche Stunde der Berufung, der ausnahmsweise Anfall
des Hundes, erschreckten mich, ich glaubte uns entdeckt und verraten.
Ich fiel auf die Knie.
Die Gewira verwies den Hund zur Ruhe, indem sie sagte : Was ist
dir heute, kennst du meinen lieben Carl nicht? Sie sprach mich polisch
an: Ich habe bemerkt das deine Uniform abgetragen ist.
Du kannst morgen nach Frankfurt gehen und dir eine neue bestellen.
Sie fragte mich ob ich sonst kein Begehren hätte, ich war sehr
gerührt und hätte bald reuig Alles bekannt einer solchen
Huld und Gnade gegenüber. Sie gab mir die Hand zum Kusse und
entließ mich.
Ich entfernte mich weinend, denn ich verehrte und liebte diese hohe
Frau; ich war damals 19 Jahre alt. Zwölf Uhr Nachts wurde ich
vom Posten abgelöst, ich legte mich nieder.
Gegen zwei Uhr wurde aufgestanden und die wenigen Kleidungsstücke
und Wäsche in ein Tuch gepackt; ich vermiete mitzunehmen was
ich nicht mitgebracht. Hofsinger und mein Bruder folgten meinem
Beispiel.
Um vier Uhr Morgens bezog ich wieder die Wache mit Hofsinger. Das
Gepäck hatten wir schon bei uns.
Wir standen im ebenerdigen Corridor vor den Wohnungen des heiligen
Bernard und Josef. Als mein Bruder die Treppe herunter kam, stellten
wir die Gewehre in einen Winkel, gingen unter Herzklopfen und höchster
Aufregung in den Hof, der Gefahr ausgesetzt von dem Kutscher und
den Stallknechten aufgehalten zu werden, von da in den Garten, setzten
über eine Bretterwand und waren im Freien.
Wir liefen dem Walde, der nahe lag, zu, kamen nach Oberrad und gegen
sechs Uhr in Frankfurt an. Herr Neustadtl den wir bald erfragten,
nahm uns sehr freundlich auf, beherbergte und traktierte uns und
übergab mir das Geld, welches er von unserer Familie erhalten
hatte.
Nun wurden den selben Tag einige Kleidungsstücke für mich
und meinen Bruder angeschafft. Den andern Morgen fuhren wir mit
Fahrgelegenheit nach Seligenhof, von dort durch den Spesshartwald
nach Eselbach, wo wir übernachteten.
Vorher hatten wir im Walde den Schrecken von mehreren Männern,
die vor uns aus dem Wald hervorkamen, beraubt zu werden. Unser Kutscher
blieb stehen und zeigte uns unter zittern die Männer die sich
auf der Straße aufstellten.
Da hörten wir hinter uns einen Postillon blasen, der uns bald
nahe war.
Die Männer gingen in den Wald zurück und fuhren dann in
Begleitung der Diligence nach Eselbach.
Wir wurden vom Hause angewiesen nach Fürth zu reisen und dort
weitere Weisung zu erwarten. Von Eselbach machten wir die Reise
über Würzburg nach Fürth und zwar zu Fuß.
Auf dem Weg von Eselsbach nach Würzburg fühlte ich plötzlich
einen nagende Hunger, der mich so schwächte das ich nicht weiter
konnte und mußte liegen bleiben.
Glücklicher Weise kamen Bauernweiber, die mir ein Stück
Brot gaben. Später versicherten mich Ärzte, daß
wenn ich nicht zu essen bekommen, ich nicht mehr aufgestanden und
zu Grunde gegangen wäre.
In Fürth angekommen logierten wir uns drei in ein Wirthshaus
ein. Hofsinger war ohne alle Mittel und wurde von dem Gelde, das
wir in Frankfurt von unserer Familie bekommen, unterhalten.
Ich muss hier nachtragen, daß Hofsinger in der Nacht vor unserer
Flucht von Offenbach eine Unredlichkeit beging, der Kastenschlüssel
der Herren Josef Wehli und Johann Klarenberg, den derselbe unter
seinem Kopfpolster auf dem er schlief, hatte, sich bemächtigte
und das Visionenbuch und eine Tuchjacke mitnahm.
Das Buch mußte er mir geben, denn er konnte davon Mißbrauch
machen. Was Hofsinger in Offenbach getan, wiederholte er in Fürth;
er nahm mir des Nachts das obengenannte Visionenbuch, das ich unter
meinem Kopfpolster verbarg und lies sich nicht mehr sehen.
Das Buch hatte er an einen Schwiegersohn des Herrn Zerkowitz, der
in Fürth wohnte verkauft und dieser machte weiter keinen nachteiligen
Gebrauch davon.
Wir hatten Empfehlungsschreiben an mehere Herren in Fürth unter
welchen Herr Moses Gosdorf von den Geachteten, von welchen wir freundlich
aufgenommen und zu Tische eingeladen wurden.
Von Hause wurden wir angewiesen in Fürth zu bleiben, bis wir
Ordre bekämen die Reise nach der Heimath antreten zu können.
Wir blieben über die Pfingstage in Fürth. Nach den Feiertagen
bekamen wir eine Vorladung zur Polizei, wo uns angedeutet wurde
binnen 48 Stunden Fürth zu verlassen ; ich erfuhr, daß
dies vom jüdischen Vorstand veranlaßt wurde und durch
Herrn Gosdorf erfuhr ich, daß wir deshalb ausgewiesen wurden,
weil ich mich mit einem Rasiermesser rasieren ließ. Da half
keine Vorstellung, wir mußten Fürth verlassen. Wir gingen
nach einer Vorstadt von Nürnberg, denn in der Stadt war der
Aufenthalt den Juden nicht erlaubt.
Die Briefe von zu Haus die wir nach Fürth adressieren leisen,
holten wir von dort. Endlich wurden wir angewiesen unsere Heimreise
anzutreten, was wir sogleich unternahmen.
Als wir in den letzten bayerischen Grenzort Weitaus ankamen, wurde
mir ein Scheiben übergeben nicht die österreichische Grenze
zu überschreiten, weil wir der Gefahr ausgesetzt wären
als Rekruten abgeliefert zu werden.
Man wies uns an nach Bayreuth zu gehen und lag auch eine Empfehlung
an einen Herr Engel bei. Noch muss ich eines Vorfalls in Nürnbergs
Vorstadt Gostenhof, als wir in einem Gasthof bei einem Glas Bier
und Butterbrot unser Mittagmahl einnahmen, erwähnen. Ein Gast,
der als Jude leicht erkenntlich war, fragte ob wir Juden wären.
Darauf brach derselbe in Schimpfworte aus und fluchte uns, daß
wir eine Misse Meschine, schimpflichen Tod, einnehmen sollten weil
wir mit einem Messer und Butter von einem Goj essen. Ich rufte den
Wirth und sagte ihm, daß der Jude mir schimpfte, daß
wir seines Messers uns bedienen, ob es denn bei ihm so unrein vorginge,
worauf der Wirth die lieben Juden packte und hinaus warf. Wir reisten
sofort nach Bayreuth und kamen den andern Vormittag dort an.
Herr Engel ein stattlicher schöner Mann empfing uns freundlich
und nachdem er das Empfehlungsschreiben gelesen, lud er uns ein
bei ihm zu wohnen. Es wurden uns zwei schön möblierte
Zimmer eingeräumt und dieser edle Mann gab uns Frühstück,
Mittag und Nachtmal. Er bedauerte uns nicht an seinem Tische zu
bewirten, weil er in tiefer Trauer über den Verlust seiner
Gattin, die schön und liebenswürdig, die er unendlich
geliebt, untröstlich war.
Es behagte uns recht wohl bei Herrn Engel und war der Aufenthalt
in Bayreuth ein recht augenehmer. Herrn Engel sahen wir selten.
Nach einem Aufenthalt von vier Wochen ließ mich Herr Engel
rufen und sagte mir daß das unbeschäftigte Leben in Müßigsten
für so junge Leute wunderlich wäre, er hätte deshalb
bei einem Freund in Hamburg sich für uns verwendet und für
mich bereits eine Anstellung erwirkt, die ich sogleich antreten
könnte. Ich dankte ihm für seine gut gemeinte Absicht
und muss ich erst die Zustimmung meiner Eltern einholen.
Als diese nicht erfolgte und uns Hoffnung gegeben wurde bald nach
Hause zurückkehren zu können, teilte ich dies Herrn Engel
mit. Dieser erklärte, da wir auf seinen gutgemeinten Vorschlag
nicht eingehen, so sollten wir sein Haus verlassen. Er versprach
mir ein Empfehlungsschreiben an Herrn N. Besitzer eines Gutes Emet
bei Burgkundstadt zu geben, der sein Freund ist und uns freundlich
aufnehmen wird. Wir machten uns auf den Weg, es war im Monat August,
ein sehr heißer Tag. Gegen Mittag passierten wir Burgbundstadt;
vor der Stadt zog ich meine Jacke aus und legte sie auf das Felleisen,
das ich trug.
In der Tasche der Jacke hatte ich ein Beutelchen mit circa 40 fl.
Von Burgbundstadt nach Emet ist ein tüchtiger Berg zu ersteigen.
Wir hatten die Hälfte des Berges erstiegen, als ich Bruder
Leopold fragte, der hinter mir ging: Liegt die Jacke auf dem Felleisen?
Nein, du hast sie verloren.
Das war ein Donnerschlag für mich. Das in der Jacke befindliche
Geld war das einzige was wir hatten.
Ich warf mich zur Erde, ich konnte mich auf den Füßen
nicht erhalten. Bruder Leopold rannte den Berg hinab durch Burgkundstadt,
jedermann, den er begegnete fragend um Auskunft, doch ohne Erfolg.
Er ging vor das Thor, da frug ihn Jemand was er denn suche und als
er es ihm gesagt hatte, führte er ihn zu einem Gerber, der
die Jacke gefunden. Anfangs wollte er es leugnen. Auf die Vorstellungen
Leopold's und auf das Hinweisen wie unglücklich und elend wir
wären, brachte der Gerber die Jacke und das Beutelchen befand
sich in der Tasche.
Dem Finder mußte er einige Gulden geben. Wer schildert mein
Entzücken, als ich meinen Bruder den Berg hinaufrennen sah,
die Jacke hochhaltend. Nachmittag erreichten wir Emet, ein kleines
Dorf. Ich ging sogleich auf das Schloß, um meinen Brief an
B. abzugeben. Man wies mich nach dem Garten.
Ich fand zwei Herren, der eine weiß gekleidet und besternt,
der andere im Hauskleid. Dieser fragte was ich wolle. Ich habe dem
Herrn Baron einen Brief zu übergeben. Er nahm ihn mir ab und
erbrach das Siegel. Indess näherte sich der andere Herr, sah
in den Brief und fragte: Wer ist der Schreiber, der dich lieber
Freund nennt? Es ist ein Herr Engel in Bayreuth. Was, ein Jude wagt
es sich Dich Freund zu nennen? Der Baron sagte verlegen: Dieser
Engel ist ein Freund des Ministers Hartenberg. Der Baron hieß
mich den andern Tag wiederkommen.
Als ich den andern Tag mich wieder einstellte, machte er mir Vorwürfe,
daß ich ihm den Brief von Engel im Beisein seines Bruders,
des Reichshofrath übergab.
Er sprach mit mir im jüdischen Jargon. Endlich sagte er mir:
Mein Freund Engel, der Sie mir auf's Beste empfohlen, dem zufolge
nehme ich Sie hier auf, Sie können sich hier ein Haus bauen,
Handel treiben, auch werde ich ein jüdisches Beschaim herstellen,
wo sich können begraben lassen.
Wir fühlten uns in diesem armseligen Ort ganz verlassen. Einige
arme Judenfamilien gab es da, worunter einer aus Böhmen, der
uns Teilnahme bezeugte. Da wir ihm sagten, das wir Briefe von Hause
erwarten, die uns in kurzer Zeit nach Hause berufen werden, so gab
er uns den Rath Pletten zu nehmen, nämlich in den naheliegenden
jüdischen Gemeinden als mittellose Reisende zu schnorren. Wir
gingen nach längerem Zureden darauf ein es zu versuchen. Unser
Rathgeber schrieb mir die Namen der Orte wo Judengemeinden sind
und traten wir unsere Wanderung an.
Ein niederdrückendes, beschämendes Gefühl ergriff
uns beim ersten Versuch. Beim..........mußte um die.........den
Gastgeber aufsuchen.
Diese sind meist Viehhändler und die Woche über nicht
zu Hause. Man wird von der Hausfrau empfangen, erhält Abends
Suppe und Brot, Nachtlager, früh wieder Suppe und einige Keutzer.
Bald hatten wir es satt und gaben es auf. Wir erhielten ein Schreiben
vom Hause, in welchem wir angewiesen wurden nach Bamberg uns zu
begeben und uns dem dortigen jüdischen Vorsteher, Herrn Abraham
Neusedlitz vorstellen, wo beiliegend ein Empfehlungsschreiben sich
befand. Wir machten uns sogleich auf den Weg dahin. Es war im Jahre
1800 im Monat September. Wir näherten uns dem Kriegsschauplatz.
Die Franzosen hatten Regensburg passiert, die Österreicher
standen in Bamberg. Die Dörfer die wir passierten, waren von
österreichischen Soldaten besetzt. Spät am Abend kamen
wir in einem ziemlich großen Dorfe in der Nähe von Bamberg
an. Wir wollten im ersten Gasthof einkehren, wurden zurückgewiesen,
so ging es uns beim zweiten.
Als wir auch vom dritten vom Wirth abgewiesen wurden, es war ein
alter Mann, machten wir ihm Vorstellungen, wie unrecht er thue uns
bei Nacht dem Wetter preiszugeben.
Endlich nach langem Zureden sagte er, wir wären französische
Spione. Unsre Versicherung wir wären Österreicher glaubte
er nicht. Nun sagten wir ihm: Wir sind Juden. Zeigen Sie die zehn
Gebote.
Die konnten wir nicht zeigen, da wir keine hatten. Da brachte der
Wirth ein Leib Brot." Wie heizt dies hebräisch?" Lechem sagte
ich und der gute Alte war zufrieden gestellt.
Wir stillten unsern Hunger mit dem Lechem, Butter und Bier. Den
andern Mittag tafeln wir in Bamberg ein, gingen sogleich unser Empfehlungsschreiben
abgeben zu Herrn Abraham Neuzedlitz. Wir wurden, nachdem dieser
das Schreiben gelesen, freundschaftlich aufgenommen und eingeladen
Wohnung bei ihm zu nehmen.
Herr Abraham Neuzedlitz war ein alter, schlichter Mann, ganz Jude
in Sprache und Kleidung, aber auch gastfreundlich und wohltätig.
Er lud uns Samstags und Feiertags zu Tische, er war ein sehr anständiger,
frommer Mann und als er am Versöhnungstag Abends aus der Synagoge
nach Hause kam, lud er uns ein auf den Dachboden zu gehen, um die
Levune Mekadisch zu sein, das heißt de Mond durch ein Gebet
zu heiligen, etwas was wir noch nicht getan. Als der gute Mann sein
askenasisch hebräisch produzierte, mußten wir das Lachen
unterdrücken, als er aber den Scholem elechem hüpfend
und springend uns zum Besten gab, konnten wir des Lachens uns nicht
mehr enthalten und das zurückgehaltene Lachen platzte um so
mächtiger hervor.
Der gute alte Mann erstarrte vor dieser Überraschung, verließ
uns und den andern Morgen bekamen wir die Weisung sein Haus zu verlassen.
Vom Hause erhielten wir zu dieser Zeit ein Schreiben, wir sollen
nach Leipzig, wo eben Messe ist, und wie es tunlich sein sollte
nach Hause, wo nicht nach Frankfurt an der Oder, wo Verwandte sich
befinden. Wir machten uns sogleich den andern Tag zeitlich früh
auf den Weg, wollten Abend in Bayreuth eintreffen.
Wir erreichten auch den selben Abend das letzte Dorf vor Bayreuth.
Da stunde vor einem Wirtshaus der Wirth, der uns abriet weiter zu
gehen, weil ein Gewitter im Anzug sei; wir dankten für den
guten Rath und meinten, er wollte uns zum einkehren bewegen und
gingen weiter.
Wir waren kaum 1 1/4 Stunden weiter gegangen, als das Wetter ausbrach
mit großer Heftigkeit und war es dabei so finster geworden
daß wir von der Straße abkamen und befanden uns in einem
Wäldchen, wo Bäume aus gegraben waren, wo wir hineinstürzten
und zwar bis über die Hüften und wurden von oben durch
einen heftigen Platzregen und von unten durch das hineinfallen in
die Löcher ganz durchnäßt.
Nach längerem herumirren bemerkten wir in der Entfernung Licht,
dem wir zueilten. Als wir näher kamen fanden wir ein Wirthshaus,
wo eine rauschende Musik spielte.
Die Wirthin die uns in dem Hausflur entgegenkam, verweigerte uns
aufzunehmen, da sie keinen Platz hätte, auch für uns keine
Ruhe wäre da eine Hochzeit gefeiert wurde, welches die ganze
Nacht dauern wird. Sie reiht uns eine Strecke weiter zu gehen wo
wir auf der Phantasie aufgenommen, eine ruhige Nacht finden werden.
Die Phantasie ist ein Vergnügungsort unweit von Bayreuth.
Dort angekommen fanden wir den Wirth ganz allein, weil seine Familie
in der Stadt, auch keine Gäste anwesend waren. Wir waren, wie
schon bemerkt, ganz durchnäßt. Ich bad den Wirth den
Ofen zu heizen, was auch geschah und ließ, da sonst nichts
zu haben war, Brod, Butter und ein Glas Bier auftragen.
Bruder Leopold wollte nicht essen, er wollte sich lieber wärmen;
kaum hatte ich einige Bissen zu mir genommen, da hörte ich
einen starken Schlag.
Ich sah mich um und sah meinen Bruder am Boden liegen und fand ihn
ohne Bewußtsein.
Ich rief den Wirth und bat ihn einen Arzt herbei zu rufen.
Er sagte, daß in der Nähe keiner zu haben ist. Wir trugen
den Bewußtlosen in ein Zimmer im ersten Stock, wir entkleideten
ihn und mußten die Stiefel von den Füßen abschneiden.
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Hannah Rochel Verbermacher, a Hasidic holy woman known as
the Maiden of Ludmir, was born in early-nineteenth-century
Russia and became famous as the only woman in the three-hundred-year
history of Hasidism to function as a rebbe--or charismatic
leader--in her own right. Nathaniel Deutsch follows the traces
left by the Maiden in both history and legend to fully explore
her fascinating story for the first time. The Maiden of Ludmir
offers powerful insights into the Jewish mystical tradition,
into the Maiden's place within it, and into the remarkable
Jewish community of Ludmir. Her biography ultimately becomes
a provocative meditation on the complex relationships between
history and memory, Judaism and modernity.
History first finds the Maiden in the eastern European town
of Ludmir, venerated by her followers as a master of the
Kabbalah, teacher, and visionary, and accused by her detractors
of being possessed by a dybbuk, or evil spirit. Deutsch traces
the Maiden's steps from Ludmir to Ottoman Palestine, where
she eventually immigrated and re-established herself as a
holy woman. While the Maiden's story--including her adamant
refusal to marry--recalls the lives of holy women in other
traditions, it also brings to light the largely unwritten
history of early-modern Jewish women. To this day, her transgressive
behavior, a challenge to traditional Jewish views of gender
and sexuality, continues to inspire debate and, sometimes,
censorship within the Jewish community.
Nathaniel Deutsch, The Maiden of Ludmir
A Jewish Holy Woman and Her World
An S. Mark Taper Foundation Book in Jewish Studies
978-0-520-23191-7 |
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More about Jacob Frank and the Frankists,
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